Aus der Geschichte des Altenheimes Bethesda

01/08/1987

 

Aus der Geschichte des Altenheimes Bethesda

1. Die Gruendungszeit:

Wer nach Pirabeiraba kommt, wird eine Reihe herrliche, hohe Baeume bemerken und dahinter ein langgestrecktes Gebaeude: Das Altenheim Bethesda — Haus der Barmherzigkeit.

Vor 50 Jahren, im Jahre 1934, wurde der Entschluss gefasst, von der Gemeinde Dona Francisca, ein Altenheim zu bauen.

Wie kam es dazu?

Bei einer Synodaltagung in Joinville Mitte 1934, hielt Herr Pastor Karl Mueller einen Vortrag ueber ¨Innere Mission¨. Unter anderem sagte er: Es gibt so viele Frauen und Maenner unter uns, die nicht wissen, wo sie ihren Lebensabend im Alter zubringen sollen. Die meisten von den Alten haben nicht die Mittel, in irgendeinem Heim in der Grosstadt unterzukommen, denn Rentner gab es damals noch nicht.

Der Redner forderte die Frauen des Frauenvereines auf, den Alten zu helfen. Ein Altersheim muesste vorhanden sem, um den aiten Leuten eine sichere und gesicherte Unterkunft zu geben. ¨Das sind wir ihnen schuldig¨„ schloss der Redner.

Schon nach Abschluss der Synodaltagung, noch auf dem Weg mit der Pferdekutsche von Joinville nach Pirabeiraba , griffen Herr Pastor Wilhelm Dommel mit den Vertretern des Gemeindevorstandes aus Pirabeiraba den Gedanken auf. Sie sprachen ihn auf der Reise durch, denn sie fuehlten sich angesprochen durch die Worte und wollten etwas fuer die Alten tun.

In den Bibelstunden in den Gemeinden erzaehlte der Pastor von der Arbeit von Wilhelm von Bodelschwing, von Johann Heinrich Wichern ,von Loehe und anderen Maennern der Inneren Mission, der Diakonie. Er erinnerte an das Wort Wicherns: ¨Alle Worte, die nicht zur Tat werden, haben keinen Wert¨. Er fuehrte auch Bodelschwing an, der immer betonte: ¨Wartet nicht, bis es zu spaet ist¨. So forderte P. Dommel zur Tat auf.

Die Gemeindeglieder antworteten mit ihrer Bereitschaft, und so begann das Werk, das sich so wunderbar entwickelt hat un bis heute erhalten ist. Ein Kuratorium wurde gebildet, zu dem folgende Herren gehoerten als Gruender:

Pastor Wilhelm Dommel
Franz Eberhardt
Richard Schroeder
Rudolf Huebner
Wilhelm Merkle
Gustav Witt
Alfred Erzinger
Oskar Eberhardt

Von ihnen lebt nur noch Pastor Dommel in Deutschland.

Voll Gottvertrauen beschlossen sie, ein Altenheim in Pirabeiraba zu bauen. Bald war auch das geeignete Land gefunden und die Familie Friedrich Doerlitz war bereit es zu verkaufen.

Am 16. Dezember 1934 wurde durch die Annahme der ersten Statuten das ¨Alten und Siechenheim Bethesda¨ gegruendet. Das Kuratorium hatte jedoch kein Geld, weder um das Land zu bezahlen, noch um einen Bau zu beginnen. Da zeigte sich das Eingreifen Gottes, denn noch im selben Jahr kam eine Schenkung, die den Kauf des Landes ermoeglichte. Wir vvissen heute nicht mehr, woher das Geld kam.

Nachdem das Land gekauft war, ging es mit Freudigkeit weiter. Helfer und Freunde wurden gewonnen und es konnte ein Haus gebaut werden, das 8 bis 12 Insassen aufnehmen konnte. Natuerlich war alies sehr einfach, fast primitiv. Der Anfang war unendlich schwer, aber Herr und besonders Frau Pastor Dommel gingen immer mit frohem Mut voran. Jede Gemeinde uebernahm eine besondere Aufgabe am Bau: die eine war fuer die Grundmauern verantwortlich, die andere fuer die Backsteine, eine andere fuer das Bauholz und wieder eine andere fuer die uebrigen noetigen Baumaterialien. Am 22. November 1936 konnte das Heim eingeweiht werden und seiner Aufgabe uebergeben werden.

2. Die Bewohner und ihre Taetigkeit

Dezember 1936 und Anfang 1937 zogen die ersten Alten in das Hem, es konnten 12 aufgenommen werden.

Ein Ehepaar brachte eine Kuh mit, da war schon Milch da. Das Land, es waren zuerst 25 Morgen, wurde bepflanzt und bald gab es Mais, Bataten un Aipim. Ein Gemuesegarten wurde angelegt und Dank sorgsamer Pflege, gab es soviel Gemuese, das verkauft werden konnte. Auch der Verkauf von Eiern brachte einen Kleinen Verdienst. Alle Alten machten mit und waren an irgendeinem Platz beschaeftigt. Aber es langte nicht aus um die Spesen zu decken. So wurde eine Weberei eingerichtet, in der die Maenner taetig sein sollten. Aber das Unternehmen funktionierte nicht recht und wurde bald eingestellt. Die Alten waren dieser Last der Arbeit nicht mehr gewachsen. Eine gute Einnahmequelle war jedoch eine Baeckerei von kleinen Weihnachtskuchen. Wochenlang war Frau Pastor Dommel und ihre Helfer taetig, um Unmengen von diesen Kuchen herzustellen, die bis zu 100 Km Entfernung verkauft wurden.

Da immer mehr Alte um Aufnahme baten und Hilfe brauchten, wurden im Hinterhof des Heimes Bretterschuppen gebaut, und weitere 18 konnten ein Zuhause haben. Unermuedlich waren Pastor Dommel und seine Frau taetig, um das Werk, das ihnen am Herzen lag, zu foerdern und zu erhalten. Erst nach dem Krieg konnten zwei Fluegel angebaut werden. Sie sollten die Bewohner aus den primitiven Schuppen aufnehmen. Aber es kam nicht dazu, denn schon warteten weitere Alte, um aufgenommen zu werden, sodass nach Beendigung des Anbaues die Zahl mit denen in den Schuppen auf 48 angestiegen war. So mussten weitere Gaben gesammelt werden, vor aliem bei den Geschaeften und Industrien in Joinville. Es wurden Feste veranstaltet. Freudig nahmen die Einwohner von Pirabeiraba, von Joinville und den anderen Gemeinden teil: die Altenheimfeste waren sehr beliebt.

3. Eine schwere Zeit

Dank der Mithilfe aller Freunde und vor aliem durch die tatkraeftige Beschaeftigung aller Bewohner, kamen diese so leidiglich fuer die damaligen Verhaeltnisse zurecht, obwohl in manchen Zimmern bis 4 oder 5 Bewohner wohnten.

Eine sehr schwere Zeit begann jedoch waehrend und nach dem 2 Weltkrieg: Herr Pastor Dommel war ais Auslaender in Florianopolis interniert, seine Frau war krank. Die Wirtschaft wurde vernachlaessigt und verkam. Es war eine Kuh vorhanden, die Milch gab, frueh und abends einen Liter. Die Sahne von diesen 2 Litern Milch wurde in der Woche gespart, um am Sonntag auf jede Scheibe Brot der 48 Insassen etwas Butter streichen zu koennen. Sonst gab es Schmalz mit Syrup. Kaffee wurde aus getrockneter Brot rinde und Bataten bereitet. Das Mehl musste von Kaefern befreit werden. Eine Freude war's als eine Glucke mit Kueken geschenkt wurde, was den Anfang eines Huehnerhofes darstellte... Ebenso brachte ein geschenktes Kalb, das Frau Kuehl liebreich aufzog den kleinen Beginn einer Viehzucht.

Alle 14 Tage fuhr ein Wagen in die Umgegend, um bei den Kolonisten Lebensmittel zu erbetteln. Alie muessten helfen, um diese schwere Zeit zu ueberstehen. Nur langsam wurde es nach dem Krieg besser. Es konnten wieder Feste und Sammlungen veranstaltet werden. Auch der Neubau brachte, 1951 und 1952 eingeweiht, etwas Erleichterung. Es wohnten nur noch 2 zusammen, es gab elektrisch Licht, und fuer die Kueche und Waescherei war die neue Wasserleitung eine Erleichterung. Die Kosten des Baues wurden durch den Verkauf von Grundstuecken gedeckt.

1953 kehrte Herr Pastor Dommel mit seinen Familie aus Krankheitsgruenden in seine Heimat nach Deutschland zurueck.

Sein Nachfolger wurde Herr Pastor Werner Schwenk, als Pfarrer der Gemeinde Pirabeiraba und Leiter des Altenheimes.

Ihm lag die Sorge um das Altenheim nicht so am Herzen wie Pastor Dommel und Frau. Die schwere Zeit, die noch nicht uberstanden war, kam zurueck. P. Schwenk suchte eine Loesung im Bau eines weiteren kleinen Heimes, mit etwas Konfort, in dem zahlkraeftige Leute aufgenommen werden sollten. Auch war dort schon die Wohnung fuer eine Krankenschwester vorgesehen. Der Berg der Schulden wuchs jedoch immer mehr. Auch der weitere Verkauf von Land Konnte die Probleme nicht loesen.

4. Die neue Zeit: Wiederaufbau, Plaene und Erweiterung.

1956 gab Pastor Schwenk sein Amt auf und Pastor Georg Burger mit seiner Frau Elisabeth kamen nach Pirabeiraba und uebernahmen das Amt in der Gemeinde und im Altenheim. Letzteres bereitete ihm viel Sorge. Wie sollte es weitergehen bei der grossen Schuldenlast. In seiner Not wandte er sich an den Praefekten von Joinville Dr. João Colin, und es wurde geholfen. Mit Stadtmitteln, aber auch mit eigenem Geld, wurden die Schulden gedeckt und Kredit gewaehrt.

Besonders Dona Paula Colin, die Frau des Praefekten, hat sich sehr fuer das Altenheim eingesetzt durch Besuche im Heim und durch Sammlung von Spenden. In herzlicher Dankbarkeit wird an sie gedacht.

Heimbewohner, Mitarbeiter und Freunde fassten neues Vertrauen. Die Lage besserte sich, es waren inzwischen auch schon 68 Insassen.

Neues Land konnte hinzugekauft werden und die Landwirtschaft wurde zu einer wichtigen Stuetze fuer das Altenheim unter der Leitung von Herrn Leopoldo Kunde.

Frau Pastor Elisabeth begleitete die Arbeit im Heim, hielt die taeglichen Andachten und sammelte jedes Jahr fuer die Weihnachtsbescheerung.

Die Betreuung der Kranken und bettlaegrigen Alten im Heim wurde zu einer immer groesseren Sorge. Am Anfang, ais die Gruppe der Heiminsassen noch klein war, kam Frau Pastor Dommel, ais geschulte Krankenschwester, taeglich ins Heim, um Kranken zu versorgen und Wunden zu verbinden. 1955 kam Schwester Emilie aus Deutschland, und kuemmerte sich ruehrend um die Alten, verstand aber nichts von Krankenpflege und von Hauswirtschaft. Der Apotheker Herr Guilherme Zuege, lange Jahre Vorstandsmitglied, stand mit seiner praktischen Erfahrung den Kranken bei. Zeitlang blieben auch die Alten sich selbst ueberlassen, denn es gab unter ihnen Frauen, wie Frau Kroll und Dona Alice Luce, die sich in der Krankenpflege auch auskannten, Verbaende anlegten, Spritzen und Medikamente verteilten. Bei schwereren Erkrankungen mussten die Bewohner nach Joinville gebracht werden, was mit Strapazen und hohen Kosten verbunden war, der Transport war bei der ungepflasterten Strassen schwer und schmerzvoll. Diese Sorge um die Kranken lag Herrn P. Burger sehr am Herzen. Er ueberlegte mit Mitarbeitern und sprach einmal mit dem deutschen Konsul in Curitiba. Dieser versprach Hilfe aus Deutschland, und es wurde Wirklichkeit. Aus Deutschland kam die Starthilfe zum Bau einer Pflegestation , die dann zum Projekt eines groesseren Krankenhauses erweitert wurde, um auch der Bevoelkerung von Pirabeiraba und Umgebung zu dienen. Der Bau fuer 55 Betten geplant wurde 1962 mit Freuden begonnen, musste aber bald unterbrochen werden, da die Mittel ausgingen. 1966 ging es weiter mit einer grossen Unterstuetzung der Evangelischen Zentralstelle fuer Entwicklungshilfe aus Deutschland und anderen Gebern. Waehrendessen wurde Diakon Ervaldo Mutz mit der Krankenpflege im Altenheim beauftragt bis 1971. 1969 wurde das Krankenhaus eingeweiht und 1970 in Betrieb genommen unter der Leitung von Krankenschwester Gisela Burger.

Schon seit 1965 wurden die Plaene der Krankenfuersorge verbunden mit dem Aufbau eines kirchlichen Diakonischen Zentrums mit einer Ausbildungsstaette in einem Diakonischen Institut. Die ersten Kurse fuer Pflegepersonal wurden von Enfermeira Gisela Burger geleitet. Mit der Einweihung des Krankenhauses kamen auch die Aerzte, zunaechst Dr. Funke, dann Dr. Koerich und Dr. Werlich, ausser anderen, die kurzfristig mitarbeiteten. Die Pflegestation im Krankenhaus wurde fuer die Kranken Alten aktiviert.

Dieser Aufbau konnte nicht mehr neben dem Gemeindedienst bewaeltigt werden.

1964 wurde die Arbeit geteilt: P. Burger uebernahrft hauptamtlich das Altenheim und P. Friedrich Genthner wurde fuer die Gemeinde berufen.

Die rechtliche Verantwortung lag am Anfang bei der Gemeinde Dona Francisca, aber schon 1940 wurde sie der Lutheranischen Synode uebergeben und im Laufe des Zusammenschlusses der Synoden wurde das Heim im Jahre 1968 unter dem Namen Instituição Bethesda der Gesammtkirche unterstellt. Als P. Georg Burger 1970 in den Ruhestand trat uebernahm sein Sohn P. Hans Burger die Nachfolge, um das Werk in dem begonnenen Plan weiterzufuehren, mit Frau Lilian.

In Zusammenarbeit mit der Praefektur in Joinville wurde ein Neubau im Altenheim begonnen, um nun endlich die Schuppen zu ersetzen. Es wurde ein sehr schoener Bau in T. foermigen Aufbau mit 20 Zimmern und den Nebenraeumen mit Badezimmer, Verbandzimmer und Raum zur Behandlung, 4 grosse Aufenthalsraeume und einen Saal, der Platz fuer 150 Personen hat. 1972 wurde er eingenweiht un auch besetzt.

1974 wurde das Diakonenehepaar Ricardo und Regina Krauser fuer die Heimleitung berufen. Diakon Ricardo musste aus gesundheitlichen Gruenden Abstand nehmen und seine Frau uebernahm dann die Leitung des Heimes. Sie hat sich sehr gut in das nicht leichte Amt eingefunden. Sie leitet das Personal an: 4 in der Krankenpflege, 5 in dem Putz, 2 in der Kueche und Backen und eine fuer die Waesche. Alles ist nun gut organisiert und viel leichter als in den Anfangszeiten. Dona Regina hat auch Programme aufgestellt, um den Alten Aufgaben, Anregungen und Abwechslung zu geben, mit Gymnastik, mit Tanz, mit buntem Nachmittag, vorlesen singen und spielen. Sie haelt woechentlich Andachten und alie 14 Tage den Sonntagsgottesdienst in Abwechslung mit P. Burger.

Dona Regina ist sehr geeignet fuer ihre Aufgabe, immer freundlich und froehlich. So bekam das Heim in den letzten Jahren ein neues Gesicht, und jeder hat die Moeglichkeit, sich wohl und nuetzlich zu fuehlen.

Heute bietet das Heim 70 alten Menschen em n neues Zuhause. Dazu kommen noch die 15 pflegebeduerftigen Alten im Krankenhaus. Es traegt sich Dank der tatkraeftigen Unterstuetzung von vielen Freunden, die schon seit vielen Jahren zu dem Heim halten.

Das Bild einer Ablagerungsstelle fuer unbequeme Alie ist laengst uerberholt. Viele Besuche kommen, und die Bewohner haben durch ihre froehliche Art schon manche frohe Botschaft in die Gemeinden gebracht.

Wir wollen Gott danken, dass er in den 50 Jahren Menschen zum Dienst in der Liebe gerufen hat, und wollen ihn bitten, dass er uns weiterhin begleite, auch in den neuen Plaenen fuer unser Heim.


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