Liebe heißt Teilen
Zwei kleine Kinder sitzen neben der Mutter auf einer Bank im Stadtpark. Ein Kind hält ein Schokoladeneis in der Hand, leckt es ab und reicht es weiter an seinen Bruder. Dieser leckt es auch ab und gibt es wieder zurück. So machen die beiden Kinder weiter, hin und her, bis das geteilte Eis aus ist. Sie lachen dabei, mit klebrigen Händen, zufrieden.
Manche Erwachsene müssen das Teilen noch erlernen, da sie am liebsten das Wort „mein“ als das Wort „unser“ verwenden. Egoistisch gehen sie durch das Leben und wollen immer mehr haben: mehr Geld, mehr Erfolg. Aber teilen, das wollen sie selten: Weder ihren Besitz, noch ihre Zeit oder ihre Herzenswärme. Aber herzlose Gaben ohne Liebe, aus schlechtem Gewissen heraus gegeben, bringen nichts, sagt der Apostel Paulus: „Wenn ich all meine Habe den Armen gäbe, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.“
Wenn man aufgefordert wird zu spenden – auch in der Kirche – geht es in Wirklichkeit gar nicht um ein paar Münzen, die jemand an der Tür bekommt. Es geht um nicht weniger als den Mitmenschen, der genau wie ich ein Ebenbild Gottes ist. Es geht um den, der Hilfe braucht. Es geht um die Liebe. Denn Liebe bedeutet, den anderen Menschen mindestens ebenso wichtig zu nehmen wie mich selbst. Sich selbst verschenken zu können, ohne etwas dafür zu erwarten, „denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2.Kor 9,7).
Liebe teilen kann sicher nur, wer sich selbst geliebt fühlt. Verschenken kann auch nur, wer sich reich beschenkt fühlt. Und reich beschenkt ist jeder von uns – manche Menschen aber nehmen das nicht wahr. Wenn man damit anfängt, für den Segen Gottes zu danken – auch für die kleinen und einfachen Dinge des Alltags – fällt es sofort auf, wie reichlich man von Gott beschenkt wird.
Das Erstaunliche an der Liebe ist: Ich werde reicher, wenn ich gebe. |
Was macht mich nun aber zu einem wertvollen Menschen, der seinen eigenen Wert mit anderen zu teilen bereit ist? Sicher nicht das Haben. Nicht, was ich mir erarbeitet habe, macht mich wertvoll. Nicht, was ich geleistet habe, macht mich liebenswert, auch nicht, was ich mir leisten kann.
Jesus verweist uns an Gott, der das Verborgene sieht. Der mich und jeden Menschen liebt. Dass ich Gott „unseren Vater“ nennen darf, weil er mich als sein Kind angenommen hat, macht mich wertvoll. Ich bin wichtig, weil Gott mich für so wichtig erachtet, dass er sich auf den Weg macht, um mich zu suchen. Und die Liebe Gottes zu mir will weitergegeben werden.
Nur wenn meine Liebe den Weg zum Nächsten findet, wird es mir leicht fallen, loszulassen und wegzugeben, was ich im Überfluss habe. Und vielleicht kann ich ja dann das Erstaunliche der Liebe erleben: Dass ich reicher werde, wenn ich gebe.
Wie können wir je glücklich werden, wenn wir immer alles von anderen erwarten?
Leben ist Nehmen und Geben. Doch anscheinend wird den Menschen nur das Nehmen beigebracht. Forderungen stellen, nur an den eigenen Vorteil denken. Daher, lasst uns immer wieder neu anfangen, nicht für uns zu fordern und zu nehmen, sondern zu geben, uns für andere einzusetzen, sie zu trösten und uns selbst dabei zu vergessen. Dann werden wir spüren, wie unser Leben von Sonne erfüllt wird, von Licht und Wärme.
Wenn ich Segen habe in Fülle, was brauche ich mehr? Da muss ich mich nicht durch große Gesten wichtig machen. Was mich am Leben hält, ist nicht mein Geld und auch nicht meine gute Vorsorge. Was mich am Leben hält, das ist der Segen Gottes – und so kann auch ich ein Segen für meine Mitmenschen sein.
Der Wert eines Lächelns
Auch ein Lächeln kann man teilen. Dazu schreibt Max Huber ein Gedicht:
„Ein Lächeln kostet nichts, ist aber wertvoll in seiner Wirkung.
Es macht jeden reicher, der es empfängt, ohne das Vermögen des anderen zu verringern, der es gibt.
Es geschieht spontan, aber die Erinnerung daran kann ein Leben lang dauern.
Keiner besitzt so viel, dass er ohne auskommt, und keiner ist zu arm dazu – beide aber sind um ein Lächeln reicher.
Es bringt Glück ins Heim, fördert den guten Willen bei jeder Arbeit und gehört zur Sprache guter Freunde.
Es wirkt wie Balsam auf die Müden, wie Sonnenschein auf die Mutlosen und ist der Natur bestes Mittel gegen Betrübtheit.
Es kann weder erkauft, erbettelt, geborgt noch gestohlen werden, denn es ist irdisch wertlos, solange es nicht vergeben ist.
Und sollte es passieren, dass irgendjemand zu müde ist, um dir ein Lächeln zu geben, warum nicht eines von deinen eigenen verschenken?
Denn niemand braucht ein Lächeln so sehr wie einer, der kein Lächeln zu vergeben hat.“
Pfarrer
Jaime Jung