Jornal Evangélico Luterano

Ano 2010 | número 733

Terça-feira, 03 de Dezembro de 2024

Porto Alegre / RS - 14:26

Deutsche Seite - P. Lindolfo Weingärtner

Wenn Luther heute aufträte...

   Ja, wir können uns das gut ausmalen. Er würde sicher nicht leise auftreten. Luther, der heute seine Thesen an unsere Kirchentür schlägt. Er würde seine alten Partner und Gegner alle wiederfinden. Mit dem Papst könnte er sogar deutsch reden, und sie würden sich in manchen Dingen wohl besser verstehen als vor 500 Jahren. Aber es würde sich bald herausstellen, dass die alten Gegensätze noch nicht bereinigt sind. Und es würden wieder Funken fliegen. Und gar die Schwärmer, die nicht auf die Schrift hören wollen, sondern die immer nur rufen “Geist, Geist!”. Luther würde wahrscheinlich mit Donnerworten den Supermarkt der Religion geißeln, der heute überall noch im Vordringen ist. Ja, das “liebe” Geld! Wie schon damals. Der Ablasshandel hat heute nur andere Formen angenommen. Es geht immer noch um das Geld, das im Kasten klingt!
   Würde Luther auch etwas über die Korruption und über das soziale Unrecht im Lande sagen? Man lese seine Schriften über die Bauern und die Fürsten und Kriegsleute seiner Zeit. Er würde die Dinge auch heute beim Namen nennen, so wahr er Luther heißt! Und er würde uns das Evanglium predigen, das Sünden aufdeckt und vergibt.
   Ja, und wie Luther damals moderne Medien benutzte (die Druckerkunst war knapp hundert Jahre alt), so würde er heute wohl das Internet benutzen, und das Radio - eher das Radio als das Fernsehen. Luther wollte nicht gesehen werden. Er wollte gehört werden. Besser, er wollte, dass Gott gehört würde.
   Und damit kommen wir zu unserem eigentlichen Thema. Wenn Luther heute bei uns predigte: Was würde er uns sagen? Nicht den Katholiken, den Pentekostalen, den Spiritisten, sondern uns!
   Ich glaube, Martin Luther würde zuerst und vor allem nach unseren Gottesdiensten fragen. Er würde nach der Substanz unserer Predigt fragen, er würde Gottes lauteres Wort hören wollen. “Haec Deus dixit” - “das hat Gott gesagt”, soll seiner Meinung nach der Prediger sagen können, wenn er Amen sagt. Gottesdienst war ja für Luther “dass Gott zu uns rede durch sein heiliges Wort und dass wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang”, wie er bei der Einweihung der Kirche in Torgau sagte.
   “Das Wort sie sollen lassen stahn!” - ruft der Reformator in seinem bekanntesten Lied. “Ihr wisst, dass der größte Gottesdienst die Predigt ist, sie ist das beste, was wir haben können” (zitiert nach Aaland, Luther Deutsch, Bd.8.S.7). Luther würde uns wohl allen ans Herz legen: Macht aus dem Gottesdienst keine Show, keine Darbietung, die Menschen gefallen will. Lasst Gott zu Worte kommen. Und lasst das Gebet Gebet sein. Macht keine Ansprache daraus, die nach Menschen schielt!
   Und die Sakramente! Taufe und Abendmahl. Werden sie mit dem heiligen Ernst und mit der dankbaren Freude gefeiert, die Christus bei ihrer Stiftung im Sinn hatte? Oder ist das Zeremonielle, der bloße Ablauf, an Stelle der lebendigen Gnadengabe getreten?
   Nein, Martin Luther wird nicht wiederkommen. Propheten kommen nicht wieder. Christus kommt wieder. Doch Christus braucht heute Zeugen wie ihn, die sein lebendiges Wort in die Kirche und in die Welt hineinrufen.

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