Jornal Evangélico Luterano

Ano 2010 | número 730

Quinta-feira, 21 de Novembro de 2024

Porto Alegre / RS - 12:44

Deutsche Seite - P. Lindolfo Weingärtner

Großeltern und Enkel

   “Enkel sind leichter zu erziehen als Kinder. Bei den Enkeln kann man schon einen Teil der Verantwortung den Eltern überlassen”.
   Das Scherzwort in Ehren, doch wissen wir, dass wir Großeltern unseren Enkeln mehr schuldig sind als eine gelegentliche Tafel Schokolade, ein Schweizer Taschenmesser oder ein Halskettchen zur Konfirmation. Es wird sich lohnen, einmal darüber nachzudenken.
   Das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln hat sich heute ja in vieler Hinsicht geändert. Früher, sagen wir, vor sechzig, siebzig Jahren, waren die Großeltern noch die Wissenden. Die Jungen lernten von den Alten. Heute, wenn ich den Besuch eines meiner 13 Enkel erwarte, mache ich mir meist schon ein Zettelchen mit Fragen zurecht, die ich ihm oder ihr stellen will: Wie hängt man ein Foto an eine e-Mail an, wie stellt man im Computer Texte um, und so weiter. Die Enkel sind die Wissenden, wir Alten die Unwissenden. Sie kriegen diese technischen Dinge mit einer Leichtigkeit hin, die uns Alten schlechthin fehlt. Und Technik ist ja heute alles!
 

*** Eine russische Babushka (Oma) könnte die Weltgeschichte
entscheidend verändert haben
***


  
   Wie konnte uns das passieren? Sind wir Großeltern denn verdummt, ist die Zeit an uns vorbeigegangen? Nun, die Enkel sind mit dem Computer und dem Mobiltelefon aufgewachsen. Wir haben früher in den Gymnasien lateinisch und vielleicht deutsch oder französisch gelernt. Das zählt heute nicht mehr. “Wie macht man das?” - Das ist heute die Frage. Bildung ist gleich Technik. Wir Alten, ja, wir sind da ein wenig ins Abseits geraten. Hoffentlich nur auf Zeit...
   Und doch sind wir den Enkeln etwas schuldig, was ihnen die schon besser mit der Technik vertrauten Eltern – und dietechnisch geprägte Umwelt – oft nicht geben können. Der alte Paulus erinnert seinen Schüler Timotheus daran, dass es neben seiner Mutter Eunike seine Großmutter Lois war, die ihm seinen Glauben vermittelte (2.Tim.1.5). Und wir wissen heute, dass die Großmutter des früheren russischen Präsidenten Gorbatschow ihren kleinen Enkel Michael in der kommunistischen Zeit heimlich taufen ließ (sicher mit geheimer Zustimmung seiner Eltern), und ihm ebenso heimlich das Evangelium Christi bezeugte. Und hiermit könnte eine russische Babushka (Oma) die Weltgeschichte verändert haben, denn Gorbatschow wurde zur Schlüsselfigur der Weltpolitik. Er trat für Gerechtigkeit und Freiheit, auch für Glaubensfreiheit, ein. Und die Mauer in Berlin wäre ohne ihn nicht so bald gestürzt...
   Ja, wie werden wir aber eine solche Babushka, eine solche Lois? Wir sollten Zeit für unsere Enkel haben, sollten ihnen zuhören können. Wir sollten durch unsere Art zu leben anziehend auf sie wirken. Wir sollten sie nicht verwöhnen, wir sollten sie lieb haben. Wir sollten sie bei Besuchen vom Computer weglocken (und unser eigenes Fragezettelchen möglichst klein halten). Und diese Strategie führt dann bei Christenmenschen zu einem gelegentlichen Gespräch, in dem es um Lebens- und Glaubensfragen geht. Wir werden damit vielleicht nur einen winzigen Teil der Weltgeschichte beeinflussen. Aber für Gottes Weltenplan sind auch die kleinsten Wegweisungen wichtig.

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