Jornal Evangélico Luterano

Ano 2010 | número 727

Quinta-feira, 21 de Novembro de 2024

Porto Alegre / RS - 08:57

Deutsche Seite - P. Lindolfo Weingärtner

Der zerrissene Vorhang

   In den drei ersten Evangelien wird uns berichtet, dass in der Todesstunde Jesu der Vorhang im Tempel von oben bis unten aufriss. Nach dem Evangelisten Johannes ist Jesus mit dem Ausruf “Es ist vollbracht” gestorben. Wir glauben, da besteht ein Zusammenhang. Es wird sich lohnen, einmal darüber nachzudenken.
   Was ist das für ein Vorhang, von dem hier die Rede ist? Stellen wir uns einmal den Tempel, wie er zur Zeit Jesu aussah, vor. Er war von Herodes dem Großen 20-10 vor Christi Geburt prächtig und großzügig auf der Stelle des alten, zerstörten Tempels erbaut worden. Der eigentliche Tempel war ein Gebäude von etwa 8 mal 24 Metern im Grundriss, in zwei Teile (das Heilige und das Allerheiligste) geteilt. Die übrigen Gebäude waren große Galerien und Vorhöfe für die Priester, für die jüdischen Männer, für die jüdischen Frauen und für die Masse der Heiden, die alljährlich zu den großen Festen, die das jüdische Vollk feierte, zusammenzuströmen pflegten.
   Das Allerheiligste durfte nur einmal im Jahr betreten werden, und zwar von dem Hohenpriester, am großen Versöhnungstage, an dem die Sünde des ganzen Volkes vor Gott gesühnt wurde. Heiliges und Allerheiligstes waren durch einen schweren, doppelten Vorhang voneinander getrennt. Das Allerheiligste war dunkel und zur Zeit Jesu und der Apostel, wo die Bundeslade nicht mehr existierte, völlig leer. Gott wollte im Dunkeln wohnen. Der schwere Vorhang trennte den Schöpfer von seinen sündigen Geschöpfen.

*** Gott ist erfahrbar geworden. Er will nicht mehr im Dunkeln wohnen.
Er redet eine deutbare Sprache
***





   Es ist eigentlich erschreckend: Das Volk Israel verstand sich selbst als das Volk Gottes. Es wusste: der wahre Gott kann nicht “sichtbar”, in Bildern und Statuen verehrt werden. Es lehnte den Weg des Heidentums, seine Götter zu verehren, ab, es klammerte sich an den einzigen, unsichtbaren Gott. Aber kann man auf die Dauer mit einem Gott leben, der im Dunkeln wohnt? War der Vorhang für alle Zeiten aufgehängt?
  Und nun lesen wir in den Evangelien, dass in der Todesstunde Jesu dieser Vorhang von oben bis unten. zerriss. “O Heiland, reiß den Himmel auf!” heißt es in einem alten Lied. In dem Augenblick, als Jesus starb, veränderte sich etwas grundlegendes im Verhältnis Gottes zu den Menschen. Gott war aus dem Dunkel, aus seiner Verborgenheit ins helle Licht getreten. Das Heilswerk Gottes in Jesus Christus war vollendet. Es ist vollbracht. Gott sei gelobt, es ist vollbracht!
   Auch in unserer Erfahrung wohnt Gottt erst einmal im Dunkeln. Das Dunkel kann so groß werden, dass wir an Gottes Existenz zweifeln. Der Vorhang scheint undurchdringlich und endgültig zu sein. Doch nun sagen uns die Zeugen des Todes und der Auferstehung Jesu: Der Vorhang ist zerrissen. Gott ist erfahrbar geworden, er redet eine deutbare Sprache. Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!
   Spätestens in unserer Todesstunde wird sich der Vorhang auch für unsere Augen öffnen. Wir werden Gott schauen, wie er ist. Der auferstandene Christus ist unser Bürge dafür, dass das Heilswerk vollbracht ist. Er wird das Licht der Welt sein für alle Ewigkeit.

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